KEIN Spaziergang - Ganna

KEIN Spaziergang!

„Auf der Arbeit bin ich wie ein Papagei. Meine Kollegen sagen etwas, und ich plappere das nach. So lerne ich Deutsch.“

Ganna aus der Ukraine

Das Portrait von Ganna ist hier ausgestellt:
Werk.Stadt.Laden. der Dreescher Werkstätten | Puschkinstraße 46 | 19055 Schwerin


Die Hafenstadt Mykolajiw, Ukraine. Es sind 135 Kilometer bis Odessa im Westen und 200 Kilometer bis zur Krim im Osten. Mehrmals haben russische Truppen versucht, die Stadt einzunehmen. Ohne Erfolg. Der Preis ist hoch. Viele Menschen haben Haus und Hof oder das Leben verloren.

„Meine Mutter und meine Tante sind noch dort. Egal, ob Bomben oder Schüsse, den alten Menschen ist das egal. Sie wollen in der Ukraine bleiben“, sagt Ganna Kydyk. Sie hat sich anders entschieden und ist mit ihrer Tochter Darina und der Katze Puschinka geflohen.

Im März 2020 stand sie mit Tochter und Katze in Berlin am Hauptbahnhof. Viele Menschen aus der Ukraine waren dort. Und viele freiwillige Helfer. Und viele Busse. „10 Leute in den Bus, bitte. 20 Leute in diesen Bus und 10 Personen in den anderen Bus, bitte. Mein Bus fuhr nach Schwerin.“

In der Schule hatte sie ein bisschen was über Deutschland gelernt. Berlin ist die Hauptstadt. Aber von Schwerin hatte sie noch nie etwas gehört. Heute lebt und arbeitet sie in Lankow.

„Wir haben eine schöne 2-Zimmer-Wohnung. Danke Deutschland. Wir haben auch nette Nachbarn, vielen Dank Deutschland. Und meine Tochter geht zur Schule. Danke. Danke!“

In der Ukraine hat Ganna Kydyk als Friseurin und Kosmetikerin gearbeitet. In Schwerin besucht sie den Integrationskurs, besteht die Sprachprüfung B1 und arbeitet als Helferin in einem Frisiersalon. „Ich arbeite gerne mit Menschen. Schwerin ist eine kleine Stadt. Da ist die Auswahl an Möglichkeiten nicht sehr groß.“

„Heute arbeite ich in der Altenpflege. Auf meiner Arbeit bin ich wie ein Papagei. Meine Kollegen sagen etwas, und ich plappere das nach. So lerne ich Deutsch!“ Deutsch lernen ist ihr wichtig.

„Ich habe bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht. Überall sind die Menschen freundlich zu mir. Im Laden, in der Bank, an der Kasse. Aber ich muss besser Deutsch lernen. Ich möchte in Deutschland bleiben und kann nicht erwarten, dass die Menschen in Schwerin Ukrainisch oder Russisch sprechen lernen, oder?“

Deutsche Freunde hat sie bisher nicht. „Das ist schwer. Arbeit, Kind, Haushalt. Manchmal treffe ich mich mit anderen Frauen aus der Ukraine und ihren Kindern.“

Seit einigen Monaten teilen sich ihre Arbeitstage nun in Frühschicht und Spätschicht. Mal sind es 5 Tage nacheinander, mal 8 Tage im Stück und dann 3 Tage frei. „Das ist okay so. Ich brauche zu Fuß 10 Minuten zur Arbeit. Die Arbeit mit den alten Menschen gefällt mir gut. Einige sind auch dement. Sie brauchen unsere Hilfe. Ich glaube, wir beginnen unser Leben als Kinder und wir beenden es auch wieder als Kinder.“

Begonnen hat Ganna Kydyk als Assistenz in einem Wohnbereich. Da ist man so eine Art „Mädchen für alles“. Jetzt ist sie Pflegehilfskraft. Und sie würde auch gerne die Ausbildung zur Altenpflegerin machen.

„Schwerin ist jetzt mein Zuhause. Manchmal muss ich wegen irgendwelcher Papiere nach Hamburg oder Berlin. Wenn ich dann zurück nach Schwerin komme und am Bahnhof stehe, denke ich immer „Gott sei Dank bin ich in Schwerin! Ich bin froh und dankbar, hier leben zu dürfen.“